Infos und Aufruf an Leute, die Post vom Bundesamt für Verfassungsschutz erhalten haben – Aktualisierung des Artikels vom 19.3.2009.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat Anfang August 2009 zum dritten Mal innerhalb weniger Monate einige Menschen per Brief darüber informiert, dass über bestimmte Zeiträume „gemäß §12 Abs. 1 G 10“ ihre Telefonanschlüsse und E-Mails überwacht und aufgezeichnet, sowie Postverkehr geöffnet worden sind.
Bereits zwischen Oktober und Dezember 2008 hatten einige Menschen ähnliche Briefe vom VS erhalten, in denen sie über den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen sie informiert worden waren (vgl. hierzu den Indymedia-Artikel vom 14.12.2008). Der nächste Schwung Briefe erreichte dann Anfang März 2009 über 25 Einzelpersonen und Firmenadressen hauptsächlich aus Berlin.
Die Überwachungsmaßnahmen fanden meist über viele Jahre statt, teilweise mit Unterbrechungen, einige abgehörte Telefonnummern werden aufgeführt; viele der Briefe sind an Menschen adressiert, die in WGs oder Büros Telefonanschlüsse angemeldet hatten.
Teilweise wurde den Betroffenen mit diesen Benachrichtigungen zum ersten Mal offiziell von Behördenseite mitgeteilt, dass gegen sie oder gegen vermeintliche MitbewohnerInnen oder MitarbeiterInnen Ermittlungsverfahren geführt worden waren. Diese Verfahren wurden wegen Verdacht auf Mitgliedschaft oder Unterstützung verschiedener terroristischer Vereinigungen (§129a) geführt: mg (militante gruppe) oder AOK (Anti Olympia Komitee). Dass der Aufzählung der angegebenen Abhörmaßnahmen in Bezug auf Vollständigkeit, Beendung der Maßnahmen o.ä. kein Glaube geschenkt werden darf, halten wir für selbstverständlich. Bestätigt wurde diese Skepsis unter anderem durch zum Teil erfolgte Akteneinsichten, in denen ein ganzer Batzen zusätzlicher Maßnahmen nachgelesen werden konnte. Darunter waren z.B. GPS-Datenübertragung von Autos, Videoüberwachungen, Personenobservationen, Überwachung von allen Telefonaten mit einer Telefonkarte aus öffentlichen Telefonzellen, wobei der Betreiber zur sofortigen Übermittlung aller Verbindungsdaten dieser Telefonkartennummer verpflichtet wurde etc.
Über Jahre hinweg waren zig Personen daran beteiligt waren, diese Überwachungsmaßnahmen immer wieder und wieder am Laufen zu halten: „Die Überwachung wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz beantragt (§…), vom Bundesministerium des Innern angeordnet (§…) und von der vom Bundestag zur Überprüfung solcher Maßnahmen gebildeten Kommission für zulässig und notwendig erachtet (§…).“ Somit haben Bundestagsabgeordnete in der G10-Kommission immer wieder diese und mehr Anträge für Überwachungsmaßnahmen genehmigt und unterschrieben.
Nicht zu vergessen: Von all diesen Maßnahmen waren jedes Mal weit mehr als die konkreten Zielpersonen betroffen. Wir fordern Euch deshalb auf, Eure FreundInnen und GenossInnen von dieser Überwachung zu informieren und soweit wie möglich offen damit umzugehen. Durch die Briefe wurde nur ein Ausschnitt des riesigen Apparats bekannt, der gegen Menschen und deren Umfeld in Stellung gebracht wird, die sich gegen die herrschenden Verhältnisse organisieren.
Um zu versuchen, einen Überblick über das Ausmaß dieser Überwachung zu bekommen und einen vereinzelten oder isolierten Umgang mit solchen Informationen zu verhindern, rufen wir dazu auf, sich an den Berliner ERMITTLUNGSAUSSCHUSS im Mehringhof zu wenden:
EA, im Mehringhof, Gneisenaustr.2a, 10961 Berlin, live Di 20-22 Uhr Tel.: 030- 69 22222
Hier werden die bisherigen Informationen gesammelt und den Betroffenen zur Verfügung gestellt. Es hat bereits erste Ideen für einen kollektiven Umgang gegeben, auch Klagen gegen die Maßnahmen wurden eingereicht. Für weitere Planungen, Überlegungen und eine politische Einschätzung wünschen sich einige der Betroffenen einen möglichst vollständigen Überblick über die bisher offiziell bekannt gemachten Überwachungsmaßnahmen.
Deshalb: meldet Euch beim EA oder lasst ihm Kopien Eurer Briefe zukommen. Die anderen Betroffenen danken!
Bitte verteilt diesen Aufruf weiter an Eure Bekannten oder über die Kanäle, die Euch sinnvoll erscheinen – es lesen bestimmt nicht alle indymedia.
EA Berlin