Informationen zum Vorwurf der Vermummung

Da wir in letzter Zeit immer mal wieder von Leuten erfahren, dass gegen sie ein Verfahren wegen Vermummung läuft, möchten wir an dieser Stelle ein paar Informationen hierzu loswerden.

Das Vermummen (d.h. die Verhüllung des Gesichts mit Hassis, Tüchern, etc). auf Demos ist nach § 17a Versammlungsgesetz eine Straftat, die mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet wird. In der Praxis gibt’s meistens aber einen Strafbefehl (d.h. Eine Geldstrafe) im unteren Bereich, also 20 – 30 Tagessätze. Wir möchten deshalb mit den folgenden Informationen keine Panikmache vor möglichen juristischen Konsequenzen durch Bullen und Repressionsorganen betreiben. Schließlich stellt eine Anzeige wegen Vermummung meistens die kostengünstigere Alternative dar, wenn man sich (insbesondere auf Demos) entschließt, den engen gesetzlichen Rahmen zu verlassen. Darüber hinaus würden wir uns aber auch freuen, wenn in Zukunft wieder offensiver politisch über Vermummung auf Demos diskutiert würde.

Wann der juristische Tatbestand der Vermummung erfüllt ist, ihr also bestraft werden könnt, ist von Bundesland zu Bundesland und von Gericht zu Gericht unterschiedlich. Das liegt daran, dass der § 17 a Versammlungsgesetz fordert, dass die Vermummung „den Umständen nach darauf gerichtet ist“, die Identifizierung durch Bullen oder Zeugen zu verhindern. Deshalb ist eine Verkleidung, die erkennbar der Meinungsäußerung oder künstlerischen Zwecken dient (z.B. die Clownsarmee) keine Vermummung. Ebenso liegt keine Vermummung vor, wenn ihr bei sonnigem Wetter Sonnenbrillen, bei kälterem Wetter Schal und Kaputze tragt. Während sich die Gerichte hierin noch einig sind, gab es in der Vergangenheit sehr unterschiedliche Praktiken und Urteile, wenn sich Genoss_innen durch Verhüllen des Gesichts vor dem Abfilmen oder Fotografieren durch Faschos schützen wollten. So haben mehrere Gerichte (z.B. das Landgericht Hannover) entschieden, dass hierin keine strafbare Vermummung besteht. In Berlin wurde durch das Kammergericht (das im übrigen auch sonst keine Probleme damit hat, antifaschistische Arbeit zu behindern) jedoch die gegenteilige Ansicht vertreten.

Das bloße Beisichführen von Gegenständen, die zur Vermummung „geeignet“ sind (hierbei sind die Bullen des öfteren sehr kreativ) stellt KEINE Straftat dar und ist lediglich eine Ordnunswidrigkeit, § 29 Versammlungsgesetz. Das Gesetz droht hierfür eine Geldbuße von bis zu 500 € an. Nach unserer Erfahrung fällt die Buße jedoch in der Regel deutlich geringer aus (so um die 150 €). Je nach Einkommen kann das allerdings variieren. Gegen den Bußgeldbescheid kann wie gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt werden. Das kann recht formlos passieren, wichtig ist, dass ihr die Frist einhaltet. Diese beträgt wie beim Strafbefehl 2 Wochen. Oftmals lässt sich hier auch recht gut argumentieren. Denn woher will der_die Richter_in wissen, ob ihr die Hassi nicht zum Motorrad- oder Fahradfahren braucht, wenn hier mal wieder schlechtes Wetter ist. Trotzdem solltet Ihr, bevor Ihr irgendetwas schreibt, mit Genoss_innen (Leute aus eurer Bezugsgruppe, EA, Anwält_innen) sprechen, die sich in der Materie auskennen, um die Sache zu besprechen und Euch oder andere nicht unnötig zu belasten.

Aus aktuellem Anlass möchten wir noch auf eine beliebte Praxis der Bullen aufmerksam machen. So werden Leute bei der Erkennungsdienstlichen Behandlung dahingehend vollgequatscht, das Vermummungsmaterial so anzulgegen, wie es während der vorgeworfenen Tat angeblich getragen wurde. Zwar dürfen die Bullen bei der Erkennungsdienstlichen Behandlung euer Äußeres verändern, um später die Aufnahmen der ED-Behandlung mit angefertigten Videos etc. zu vergleichen. Nach der Strafprozessordnung muss der_die Beschuldigte das auch über sich ergehen lassen, wenn er_sie nicht körperlich misshandelt werden will („unmittelbarer Zwang“). Die Pflicht, am Anlegen des mutmaßlichen Vermummungsgegenstandes aktiv mitzumachen besteht jedoch NICHT !
Deshalb: Wenn Euch ein Bulle nach einer Festnahme versucht zu belabern („So Herr/Frau XY, jetzt legen sie mal die Maske so an, wie Sie die eben an dem und dem Ort, als Sie die Flasche auf den Kollegen geworfen haben auch auf hatten“) macht ihr überhaupt nichts! Wer mit den Bullen (und anderen Repressionsorganen) kommuniziert, riskiert IMMER sich selbst oder andere Genoss_innen zu belasten. So werden in Situationen wie den hier beschriebenen, neben der eigentlichen ED-Behandlung auch gerne Videoaufnahmen gemacht, um Bewegungsabläufe (wird das Vermummungsmaterial mit der linken oder der rechten Hand angelegt usw.) zu analysieren und diese mit anderen Videoaufnahmen (andere Kameraperspektive vom vermeintlichen Vorfall; die Demo soundso, die vielleicht schon Monate zurück liegt und bei der die Post abging, etc.) abzugleichen.
Auch wenn Ihr Euch absolut sicher seid, dass ihr das, was die Bullen euch vorwerfen nicht gemacht habt, solltet ihr die Klappe halten. Denn selbst ein einfaches „Ich hab das und das nicht gemacht“ kann den Bullen einen Verdacht bestätigen, den sie möglicherweise gegen eine andere Person hegen.

 

Mit solidarischen Grüßen