In Vorbereitung auf den 1. Mai 2010 wollen wir eine Zusammenfassung der Ereignisse um den 1. Mai 2009 versuchen, um euch einen Über- und Ausblick zu gewähren.
Rund um den 1. Mai 2009 hat es in Berlin nach unseren Erkenntnissen 294 Ingewahrsamnahmen und Festnahmen gegeben. 216 davon wurden im Rahmen der 18-Uhr-Demo festgenommen. 48 im Umfeld der Anti-NPD-Demo in Köpenick und 30 rund um den Boxhagener Platz zur Walpurgisnacht. Die Bilanz am 3. Mai 2009 zeigte: Von den uns bekannten 53 haftrichterlichen Vorführungen am Tempelhofer Damm wurde gegen 18 Festgenommene Haftbefehl erlassen. Gegen 21 weitere Festgenommene wurde zwar ein Haftbefehl erlassen, sie wurden aber bis auf weiteres von der Haft verschont.
Nicht immer hatten die EA-Anwält_innen die Möglichkeit die Festgenommenen in den Sammelstellen (am Tempelhofer Damm und in der Kruppstraße) zu sehen und zu beraten. Nach einer Kritik des Republikanischen Anwaltsvereins wurde dies von Seiten der Polizei mit trockenen bürokratischen Hinweisen zur Raumknappheit und Personalproblemen begründet. Für uns ist es einerseits Ausdruck der schlechten Organisation und andererseits Willkür und Schikane der staatlichen Repressionsorgane. Es geht ja auch nur um Freiheitsentzug…
Inzwischen sind die meisten Prozesse zum 1. Mai mit teilweise hohen Haftstrafen, aber auch mit Bewährungsstrafen zu Ende gegangen. Unseren Informationen nach gab es 17 Verurteilungen. Trotz der internen Anweisung der (politischen) Staatsanwaltschaft, eine härtere Gangart einzulegen, ist es schwer zu sagen, ob allgemein härter verurteilt worden ist. Es gab bereits in den letzten Jahren harte Urteile und hohe Strafen rund um den 1. Mai. Wie schon zuvor wurde häufig mit der guten alten „Generalprävention“ argumentiert. Aus diesem Grund wurde in den Prozessen eine Verteidigung auf Freispruch als nahezu chancenlos eingeschätzt. Trotzdem sind uns vier Freisprüche und zwei Verfahrenseinstellungen bekannt.
Neu waren die Vorwürfe wegen versuchten Mordes im Zusammenhang mit dem 1. Mai. In vier Fällen sollen Demonstranten Mollis geworfen haben. Vor allem der Prozess gegen Yunus und Rigo hat dabei viel Aufmerksamkeit erfahren. Nach einer so langen Untersuchungshaft einen Freispruch zu erwirken ist sicherlich eine Ausnahme. Wir werten die Mordvorwürfe und die harte Verfahrensweise, die sich z.B. in der langen U-Haftdauer niedergeschlagen hat, als Teil einer Abschreckungsstrategie.
Der 1. Mai 2009 war offensiver als die Jahre zuvor. Die Vorverurteilungen der Festgenommenen durch Presse, Polizei und Staatsanwaltschaft dafür um so schneller. Wir dürfen für dieses Jahr gespannt sein.
Fragt man uns nach einem Ausblick für den kommenden 1. Mai, so erwarten wir keine großen Überraschungen. Wir freuen uns auf große, offensive, aussagekräftige und einfallsreiche Demos und Aktionen, besonders gegen die Nazis. Für den Fall der Fälle sind wir rund um die Uhr unter der Telefonnummer 030-692 22 22 erreichbar. Wir wünschen uns auch dieses Jahr wieder ein solidarisches Demo-Verhalten, soll heißen: Kein Alkohol, keine Drogen, keine Fotos, keine Aussagen bei Bullen und Justiz. Lasst persönliche Aufzeichnungen/Adressen/Telefonnummern zu Hause und räumt dort vorher auf!
Denkt daran, dass für die Gefangenen nach dem 1. Mai noch lange nicht alles vorbei ist!
Solidarität statt Paranoia!
Der Berliner Ermittlungsausschuss (EA) ist eine Rechtshilfegruppe, die seit ungefähr 30 Jahren existiert. Wir kümmern uns bei linken Demonstrationen und Aktionen um Festgenommene, wenn umstehende Menschen deren Namen an uns weitergeben, so dass wir ihnen Rechtsanwält_innen vermitteln können und sie nicht einfach in U-Haft „verschwinden“. Wenn es trotzdem so weit gekommen ist, betreuen wir Inhaftierte und beraten in der Sprechstunde immer Dienstags von 20-22 Uhr zu allen Fragen rund um Repression.